Präimplantationsdiagnostik (PID)
Sehr geehrte Familien,
wir möchten Ihnen im Folgenden einige wichtige Informationen über die Präimplantationsdiagnostik (PID) in der Reproduktionsmedizin aufzeigen. Die PID kann Paaren, bei denen ein Partner selbst von einer genetischen Erkrankung betroffen ist, die Chance geben, ein für diese Erkrankung genetisch unbelastetes Kind zu bekommen.
Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist eine Technik, die zeitlich nach der intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) – einer Methode der künstlichen Befruchtung – angewendet werden kann. Sie ermöglicht es, eine spezifische genetische Untersuchung der Embryonen durchzuführen, bevor sie in die Gebärmutter eingesetzt werden. Hierzu werden wenige Zellen eines 5 Tage alten Embryos entnommen und im Labor auf spezifische genetische Besonderheiten untersucht. Dadurch können Paare das Risiko der Weitergabe einer in der Familie bekannten und vererbbaren genetischen Erkrankung auf ihre Kinder verringern.
Eine PID ist in Deutschland nur unter ganz speziellen Voraussetzungen erlaubt.
Die PID wird nur bei Paaren angewendet, bei denen ein hohes Risiko für die Übertragung einer genetischen Erkrankung auf das Kind besteht. Sie sind also selbst Träger oder Trägerin für die Erkrankung und es handelt sich z.B. nicht um eine spontane Neumutation für 22q11 bei einem betroffenen Geschwisterkind. Hierzu findet vorher zur Einschätzung eine ausführliche genetische Beratung über die Wahrscheinlichkeit der Vererbung dieser Erkrankung durch ein humangenetisches Zentrum statt. Dann wird der Fall in einer Ethikkommission beraten und erst wenn hier eine Zustimmung erfolgt, ist die Therapie in einem Zentrum für Reproduktionsmedizin möglich und erlaubt.
Die PID wird in Kombination mit der intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) in einem speziell dafür zugelassenen Kinderwunschzentrum durchgeführt. Die teilnehmenden Zentren und zuständigen Ethikkommissionen lassen sich auf der Seite Arbeitsgemeinschaft Präimplantationsdiagnostik in Deutschland im Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e.V. (BRZ) entnehmen.
Zunächst wird durch Medikamente, die man sich täglich spritzen muss, die vermehrte Eizellreifung in den Eierstöcken der Frau provoziert. Wie viele Eibläschen heranreifen ist individuell ganz unterschiedlich und kann stark vom weiblichen Alter abhängen. In der Regel sind es 5-15 Eibläschen in denen jeweils eine Eizelle zu erwarten ist. Sind diese Eibläschen nun für 8-12 Tage auf eine gewisse Größe, die per Ultraschall kontrolliert wird, herangereift, lassen sich die Eizellen durch eine sogenannte Eizellpunktion, also einer kleinen OP über die Scheide, gewinnen. Dann werden Eizellen der Frau und Spermien des Mannes im Labor zur Befruchtung zusammengeführt; hierzu spritzt man jeweils ein Spermienköpfchen in eine Eizelle. Ab dem 2. Tag nach der Befruchtung nennt man die befruchtete Eizelle dann schon Embryo, obwohl sie erst aus 2-4 Zellen bestehen. Es werden schnell viel mehr Zellen und am 5. Tag nennt man den Embryo dann Blastozyste. Leider entwickeln sich nur circa die Hälfte der befruchteten Eizellen zu Blastozyste, die anderen bleiben in ihrer Entwicklung stehen. Sobald die Blastozyste ganz reif ist, schlüpft der Embryo sogar aus seiner Eihaut. Wenige dieser schlüpfenden Zellen kann man dann vorsichtig absaugen („biopsieren“) und genetisch untersuchen. Das Ergebnis dauert etwa 4-6 Wochen und solange werden diese „biopsierten“ Blastozysten eingefroren, bis man einschätzen kann, ob sie von der genetischen Besonderheit ebenfalls betroffen ist. Im besten Fall werden also mehrere Embryonen untersucht, damit man besser entscheiden kann, welchen man sich in einem sogenannten Auftauzyklus wieder in die Gebärmutter einsetzen lässt. Zwei Wochen später folgt dann der Schwangerschaftstest.
Wichtig ist zu wissen, dass nur eine sogenannte einfache Chromosomenanalyse (hierbei kann man Monosomien, Trisomien und Translokationen feststellen) und eine zusätzliche spezielle Untersuchung nur auf die gesuchte Erkrankung, in unserem Fall also auf 22q11 Deletion oder Duplikation erfolgt. Ob die Embryonen andere Mikrodeletionen oder Besonderheiten tragen, kann man also nicht wissen und wird mit dieser Methode nicht ausgeschlossen. Es bleibt also das altersspezifische Basisrisiko für eine genetische Veränderung des Kindes bestehen, das etwa 3 Prozent beträgt.
Einer der wichtigsten Vorteile der PID ist, dass sie Paaren mit genetischen Erkrankungen die Möglichkeit gibt, ein für diese Erkrankung genetisch nicht belastetes Kind zu bekommen. Die Technik kann auch gering dazu beitragen, das Risiko von Fehlgeburten zu reduzieren, da diese in den meisten Fällen mit größeren genetischen Veränderungen der Embryonen zusammenhängen, die im Falle einer PID vorher auffallen.
Wie bei jeder medizinischen Technologie gibt es auch bei der PID Risiken und Einschränkungen. Die Stimulationsbehandlung kann körperlich und seelisch belastend sein, die Eizellentnahme birgt ein sehr geringes OP-Risiko wie Nachblutungen oder Infektionen. Die Entnahme der Zellen des Embryos könnte zu Schäden am Embryo führen und die Chancen einer erfolgreichen Schwangerschaft reduzieren. Auch ist es möglich, dass eine andere genetische Erkrankung nicht erkannt wird oder dass ein Embryo mit Anomalien nicht erkannt und in die Gebärmutter eingesetzt wird. Das Risiko, die gesuchte genetische Besonderheit nicht zu erkennen, liegt bei etwa 5-6 Prozent und liegt daran, dass man die Entnahmestelle der zu untersuchenden Zellen nicht eindeutig einschätzen kann und es so auch zu Verfälschungen im Ergebnis kommen kann.
Es ist wichtig zu betonen, dass die PID keine Garantie für die Geburt eines gesunden Kindes ist. Es kann immer noch zu Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt kommen, die nicht mit der genetischen Veranlagung des Kindes zusammenhängen.
Wenn Sie und Ihre Partner:in sich für die PID entscheiden, ist es wichtig, dass Sie sich von einer erfahrenen Reproduktionsmediziner:in und Humangenetiker:in beraten lassen, im besten Fall in einem Zentrum für Präimplantationsdiagnostik, da hier diese beiden Fachrichtungen eng zusammenarbeiten. Diese sollten sicherstellen, dass Sie ausreichend informiert sind und sich mit den Vor- und Nachteilen der Technologie vertraut machen und Ihnen die nächsten Schritte nennen.
Leider werden die Kosten einer PID bisher immer noch nicht von den Krankenkassen übernommen. Wenn gut argumentiert wird, können die Kosten der ICSI, also der Kinderwunschbehandlung: Stimulation, Eizellentnahme und Befruchtung der Eizellen zu 50% von den gesetzlichen Krankenkassen und bis zu 100% von den privaten übernommen werden. Hierzu gelten bei der gesetzlichen Krankenkasse jedoch Altersgrenzen und das zu behandelnde Paar muss verheiratet sein. Nicht übernommen werden: der Antrag bei der Ethikkommission, die Entnahme der zu untersuchenden Zellen, die genetische Untersuchung der Zellen und das spätere Einsetzen in die Gebärmutter.
Wenn man die Kosten komplett selbst tragen muss, so belaufen sie sich je nach Kinderwunschzentrum auf 15.000-20.000 Euro. Sollte man bei der ICSI einsparen können, so wären es bei den gesetzlichen Versicherten etwa 3000 und bei der privaten etwa 6000 Euro weniger. Leider ist es eine wirklich sehr teure Behandlung. Große Kostenfaktoren sind die Medikamente zur Stimulation, die Biopsie an den Embryonen und die genetische Untersuchung der Zellen (allein hier etwa 8.000-12.000 Euro). Der Ethikantrag kostet je nach Bundesland zwischen 300 und 1.500 Euro.
Aktuell (2023) wird in der Politik über eine Kostenübernahme der PID debattiert. allerdings ist unbekannt, inwieweit die Planung hierfür vorankommt und bis wann eine Entscheidung bzw. Neuregelung zu erwarten ist.
Abschließend ist trotzdem zu betonen, dass das Beratungsgespräch sowohl im Kinderwunschzentrum als auch beim Humangenetiker für gesetzlich Versicherte mit Überweisung vom Haus- oder Frauenarzt von den Kassen übernommen und somit kostenfrei ist. Ebenso ist die Basis-Untersuchung der Blutwerte und des Ultraschalls noch kostenfrei.
Sind für Sie weitere spezifischeren Fragen zur PID offengeblieben? Melden Sie sich bei uns und wir leiten diese gerne an unseren Kontakt in die Reproduktionsmedizin weiter.